It´s a rainy day … oder besser, es wird vermutlich gewittern … deshalb heute ein etwas ausführlicheres Thema: Vor zwei Wochen hatten wir drei sehr spannende notfallmedizinische Themen auf unserem Qualitätszirkel diskutiert (meist erster Mittwoch im Quartal, gerne in unserem Sekretariat nachfragen!). Durch den Diskussionsvorschlag einer anästhesiologischen Kollegin wurde ich angeregt, mich nochmals intensiver mit der aktuellen Literatur zu beschäftigen. Aber nun eins nach dem anderen.
Eine Patientin wurde mit Symptomen eines Schlaganfalles eingeliefert. Gleichzeitig wurde ein akuter Myokardinfarkt diagnostiziert. Die Patientin entwickelte schlagartig eine respiratorsiche Insuffizienz und erhielt eine nicht-invasive Beatmung. Hierbei wurde eine endtidale CO2 Messung durchgeführt (19mmHg). In einer gleichzeitig durchgeführten arteriellen BGA wurde ebenfalls ein CO2 von 19mmHg gemessen. Zusätzlich wurde eine Lungenembolie als mögliche Erklärung für die respiratorische Insuffizienz erwogen und diskutiert. Eine sehr erfahrene und geschätzte anästhesiologische Kollegin brachte in der Diskussion ein, dass im OP eine massive Lungenembolie eigentlich ausgeschlossen werden könnte. Eine schwere Lungenembolie würde üblicherweise wegen des entstehenden Totraums/Shunts zu einer erheblichen Differenz zwischen endtidalem CO2 und systemischen CO2 führen.
Pathophysiologisch und auch im Kontext des OP (beim intubierten, kontrolliert beatmeten Patienten) ist dieses Argument nachzuvollziehen. Aber ist es auch in der oben geschilderten Situation der Notaufnahme ähnlich? Es wurde heiß diskutiert.
Was sagt die Literatur dazu? Es gibt zahlreiche Studien zum Stellenwert der Kapnometrie und der Diagnostik der Lungenembolie. Interessant ist eine Arbeit von Kline et al (AJRCCM 2010) in der ein etCO2/O2 >0,45 bei Patienten mit mäßigem Risiko für eine Lungenembolie und niedrigen D-Dimer Werten einen hohen negativ prädiktiven Wert aufweisen, eine Lungenembolie in deren Kollektiv weitgehend ausgeschlossen werden kann. Von den Autoren wird in der Diskussion ausdrücklich erwähnt, dass es sich um eine monozentrische Studie handelt, und man aufgrund der Ergebnisse dieser prominent publizierten Studie noch nicht seine eigene klinische Praxis verändern sollte. Zumal stellt sich wirklch auch die Frage, wie sicher die etCO2 Messung beim nicht-intubierten, spontan atmenden Patienten ist.
Äußerst spannend zu diesem Thema ist eine Metaanalyse aus 2013: Die Kollegen um Manara aus Belgien stellen alle Studien zusammen, die etCO2 Messung als diagnostisches Tool zum Ausschluss/Nachweis einer Lungenembolie untersuchten. Aus meiner Sicht eine äußerst spannende Studie mit interessanten ERgebnissen: Die Kapnographie hat laut Aussagen der Autoren eine potentielle Rolle bei Patienten, deren Vortestwahrscheinlichkeit (z.B. Wells Score oder Geneva Score) unter 10% ist. Dies könnte somit auch die Anzahl der Pulmonalis-Angiographie CT Untersuchungen bei den Patienten reduzieren, deren D-Dimer leicht erhöht ist.
Sehr kritisch werden Chancen und Fallen der etCO2 Messung von Verschuren in 2010 diskutiert.
Zusammenfassend sind die von der anästhesiologischen Überlegungen sehr fundiert, aber im Kontext einer Notaufnahme kritisch zu bewerten. In der oben vorgestellten Falldiskussion, ist mit einem etCO2 und einer CO2 in der ABGA von 19mmHg eine Lungenembolie sicherlich nicht auszuschließen (hohe Vortestwahrscheinlichkeit!). ich denke, dass das Lesen der angegebenen (und auch anderer Studien) zu dieser Thematik sehr hilfreich ist, grundsätzlich die methodischen Grundlagen für den Nachweis bzw. dem Ausschluß einer Lungenembolie zu verstehen.
Derzeit sollte die Diagnostik der Lungenarterienembolie nach den Empfehlungen der ESC Leitlinien aus ESC 2014 erfolgen. Möglicherweise können die oben diskutierten Punkte verwendet werden, um in kritischen Konstellationen, die Diagnostik zu unterstützen. Als Standalone Diagnostik ist das Vorgehen mit der etCO2 Messung derzeit keinesfalls zu empfehlen. Bei schwerer Lungenembolie kann aber die Veränderung von etCO2/CO2 im Verlauf als Monitoring des Lyseerfolges durchaus verwendet werden (siehe Park et al. Am J Emerg Med 2013).
Spannendes Thema! Macht einfach Spass!