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Channel: Prof. Dr. Michael Christ – Blog des DGINA e.V.
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“All that glitters is not …

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a golden recommendation”. Das Manuskript mit obigem Titel hat mir Kollege Bernhard aus Leipzig zukommen lassen. Read more here …
Prielipp und Kollegen greifen das Thema auf, dass die in Empfehlungen / Guidelines gelegentlich rasch übernommenenen und publizierten strategischen Vorgehensweisen fehlerhaft sind und erst verspätet korrigiert wurden, da die Grundlage dieser Empfehlungen auf problematische Studien bzw. Konzepten zurückzuführen ist/war. Zumindest im Nachgang stellte sich heraus, dass die Euphorie verfrüht ist/war. Und dies hat zu Leiden und ggf. auch Tod zahlreicher Patienten geführt.

Die Autoren greifen dazu folgende Beispiele auf: 1) die perioperative Gabe von Betablockern, die wegen statistisch angreifbarer, teilweise gefälschter Studien abgeleitet wurde und ganz im Gegenteil sogar mit unerwünschten Ereignissen assoziiert ist; 2) die enge Blutglucoseeinstellungen, die auf eine “Meilensteinarbeit” von van den Berghe zurückgeht und dann in dieser Weise nie wieder reproduziert werden konnte bzw. die strenge Blutglucoseeinstellung bei Intensivpatienten sogar zu einer Übersterblichkeit führen kann (NICE – Sugar STudie) und 3) auch die Anwendung von Checklisten wird sehr kritisch beäugt: Die Einführung dieser Checklisten führte in Ontario zu keiner Verbesserung der 30 Tage Sterblichkeit nach Operation und auch zu keiner Änderung von relevanten Komplikationen.

Wie kann man diese “Fehlempfehlungen” vermeiden bzw. auch in seinem eigenen Handeln nicht auf derartige glamorösen Versprechungen vorschnell “hereinfallen”?

Ganz schwierige Frage und die Antworten sind vielschichtig. Dies wird in diesem Artikel wirklich exzellent herausgearbeitet:
1) Statistik: Viele derartige Fehleinschätzungen sind auf die statistische Qualität der zitierten Studien zurückzuführen. Studien mit gutem Design und klar definierten Zielgrößen sind zu identifizieren und entsprechend zu bewerten. Ich hatte ja vor längerem schon auf ein exzellentes Buch zu Evidenz-basierter Medizin verwiesen.
2) Insbesondere das Thema der Checklists ist ein besonders kritisches Thema und bedarf einer Kommentierung: Die Einführung von Checklisten verändert nicht das Verhalten des professionellen Teams bzw. verändert es auch nicht die Arbeitskultur. Die Autoren obigen Essays beschreiben zahlreiche Gründe, weshalb die Umsetzung von Checklisten weit mehr Vorarbeit erforderlich macht, als man sich eigentlich wünscht. Dazu gehört auch regelmäßiges Feedback im Team, es ist ausreichend Zeit notwendig, um Checklisten zu implementieren und in einem System mit guter Sicherheitskultur, wird die Einführung von Checklisten die Ergebnisqualität nicht weiter steigern können. Und ohne Zeit für eine ausreichende Einführung geht es auch nicht … auch wenn man es gerne hätte!

Zusammengefasst bietet dieser Artikel von Prielipp et al wieder eine interessante Anregung, wie wir auch in der Notfallmedizin vorsichtig agieren müssen, um nicht in bestimmte Fallen einer vorzeitigen Einführung von neuen Wegen zu treten. Sehr anregend!

Das war´s mal wieder aus Nürnberg. Es geht bald weiter … stay tuned!


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