In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wurde am Montag ein hochinteressantes (und brisantes) Thema aufgegriffen: Wenn Ärzte (im konkreten Fall Kardiologen) auf Kongress sind, dann hat es welche Auswirkungen auf die Sterblichkeit der betroffenen Kliniken?
Die Sterblichkeit ist während der Kongresszeiten signifikant niedriger. Bedeutet dies, auf die einfache Sprache runtergebrochen, dass bei Aewesenheit von “Opinionleadern” von Kliniken die Versorgungsqualität höher ist?
Schwierige Frage. Schauen wir uns zunächst die Originalpublikation an, die prominent publiziert werden konnte:
Die Autoren vergleichen die Sterblichkeitsraten von Patienten mit akutem Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz und “Z.n. Reanimation” während der Kongress-freien Zeit und der Zeit, in denen Kongresse stattfinden. “Elektive Patienteneinbestellungen” wurden für die Analyse ausgeschlossen. Damit wollte man eine Vergleichbarkeit erzielen. Die Analyse wurde von Daten der Medicare Datenbank durchgeführt und erreicht schon beachtlich hohe Patientenzahlen, welche “Aussagekräftige” Ergebnisse zulässt. Mit Einschränkungen natürlich.
Die Patientencharakteristika und die abgeschätzte Sterblichkeitsrisiko sind vergleichbar. In der Tabelle 2 der Originalpublikation und in Abbildung 1 sind die Interessanten Daten dargestellt: Die adjustierte 30Tagessterblichkeit ist in einem Kollektiv mit hohem Risiko für Patienten mit Herzinsuffizienz und Patienten nach Herz-Kreislaufstillstand signikant (und auch klinisch relevant) niedriger in der “Kongresszeit”. Bei Patienten mit akutem Myokardinfarkt ergeben sich keine signifikanten Unterschiede. Hier zeigte sich jedoch eine niedrigere Rate von Ressourceneinsatz während der “Kongresszeit” (z.B. PCI Rate von 20,8% vs. 28.2%; p0.02 in Table 3). Diese Unterschiede finden sich vor allem in Kliniken mit “Lehrauftrag”. Diese Effekte in der Versorgung kardiologsicher Patienten findet sich nur in der Zeit “kardiologischer Veranstaltungen”, aber nicht während Kongressen anderer Fachdisziplinen.
Die Autoren diskutieren unterschiedliche Erklärungsansätze: 1) evtl. günstigere Zusammensetzung des interventionellen Kardiologenteams während der Kongresszeiten; 2) weniger aggressive Therapieansätze während der Kongresszeiten unter der Überschrift “less is more” und 3) niedrigere Arbeitslast während der Kongresszeiten durch Verlagerung von Elektivpatienten und damit mehr Zeit für Schwerkranke Patienten.
Aus meiner Sicht eine wirklich methodisch einwandfrei durchgeführte Studie. Nichtsdestotrotz sollte man mit den in der FAZ getätigten, vielleicht etwas tendenziös gemeldeten “Resultaten” vorsichtig sein. So ist erstaunlich, dass nur etwa 25% der Patienten mit Akutem Myokardinfarkt und “High-Risk” einen PCI erhalten. Interventionsstudien zeigen eigentlich auf, dass diese Patienten von einer interventionellen Versorgung profitieren.
Die geschilderten Ergebnisse stehen durchaus im Widerspruch zu anderen Daten, sind aber im Einklang von Daten aus Israel, wo während eines Arbeitsstreiks im Krankenhaus die Sterblichkeit von Patienten niedriger war. Außerdem muss man wissen, dass Auswirkungen einer interventionellen Therapie sicherlich nicht innerhalb von 30 Tagen zu finden sind, sondern mindestens ein 6 monatiges Follow-up notwendig ist.
Ich glaube, dass die Ergebnisse dieser Studie einfach Anlass sein sollten, das eigenen Handeln zu reflektieren, nachzudenken und zu versuchen, eine hohe Versorgungsqualität zu leisten. Möglicherweise ist eine kritische Betrachtung, wie umfangreich sind meine Interventionen oder Handlungen, um einen Patienten zu versorgen, hilfreich. Dies würde für die Kampagne “Less is more” sprechen. Die im DRG System hinterlegten finanziellen Anreize sind momentan eher “Volumenbezogen” und sollten vielleicht stärker die Qualität in den Vordergrund stellen.